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Die Fragen, die im Rahmen des Workshops zum Gegenstand der Diskussion gemacht werden, betreffen die methodische Ausgestaltung des Forschungsprojekts insgesamt. Es sind Fragen:
1. der Bestimmung des Forschungsgegenstandes (des Begriffsfeldes der Personalität)
2. des zu erforschenden Textkorpus’
3. der Methoden der Bedeutungsrekonstruktion und –explikation
Diese Fragen sollen in Hinblick auf zwei Projektziele diskutiert werden:
— Im Hinblick auf die Verfassung der „Bausteine zu einem Lexikon der Personalität (in der russischen Philosophiegeschichte)“. Im Rahmen der „Bausteine“ ist geplant, eine nach Stichworten gegliederte Begriffsgeschichte der ‚Personalität’ (also der philosophischen Begriffe, die zur Konzeptualisierung von Person/Persönlichkeit, personaler Identität u.a. herangezogen werden) zu erstellen.
— Im Hinblick auf die Verfassung der Studie „Der philosophische Diskurs der Personalität in interkultureller Perspektive“. Im Rahmen der Studie ist geplant, zwei Teilaufgaben zu lösen:
a. Eine Rekonstruktion des soziokulturellen Zusammenhangs des philosophischen Gebrauchs der Personalitätsbegriffe (i.S.v. Koselleck: Begriffe als ‚Indikator’ und ‚Faktor’ der soziokulturellen Entwicklung)
b. Die Bedeutung des interkulturellen Austausches (in erster Linie des deutsch-russischen) für die Herausbildung der Personalitätsbegriffe in der russischen Geistesgeschichte.
Die Untersuchung soll von dem ‚onomasiologischen’ Gesichtspunkt (vom Gegenstand zum Wort) ausgehen, da es darum geht, verschiedene begriffliche Ausdrücke für die ‚Personalität’ zu erfassen. Operativ soll sich die Untersuchung jedoch an der ‚semasiologischen’ Perspektive (vom Begriff zum Gegenstand) orientieren, da es um die Analyse des Bedeutungswandels der Begriffe im soziokulturellen und interkulturellen Kontext gehen soll. M.a.W. es soll primär die Frage behandelt werden, was die Begriffe des Begriffsfeldes ‚Personalität’ bedeuten und auf welche Weise diese Bedeutungen die kulturelle Erfahrung artikulieren.
Die Untersuchung konzentriert sich in erster Linie auf das philosophische ‚Vokabular’ der Personalität. Darum liegt es nahe, primär Begriffe wie ‚Person/Persönlichkeit’, ‚Individuum’, ‚Subjekt’, Ich und Selbst als begriffsfeldkonstituierende Begriffe aufzugreifen. Andere verwandte Begriffe (wie Lehnübersetzungen des Wortes ‚persona’ i.S.v. ‚eine wichtige Person’), die keine philosophische Konzeptualisierung erfahren, sollen lediglich okkasionell herangezogen werden.
Die ausgewählten philosophischen Begriffe, sofern sie in den zu untersuchenden Texten als ‚thematische Begriffe’ behandelt werden, bilden den Leitfaden der semantischen Entwicklung. D.h. sie treten in allen Phasen der Entwicklung auf (von den 1830-40er Jahren bis zur Gegenwart). Dagegen müssen solche Begriffe wie ‚hypostase’, ‚Ego’ (in den russ. Lehnübersetzungen) als untergeordnet betrachtet werden, da sie nur in bestimmten Phasen der Entwicklung eine Rolle spielen.
Da die Aufgabe des Projekts nicht allein auf die Rekonstruktion der Begriffsgeschichte im engen Sinn beschränkt ist, sondern eine Intention enthält, die soziokulturelle Geschichte des philosophischen Wissens (von Personalität) zu rekonstruieren, muß der Textkorpus dementsprechend zusammengestellt und gegliedert werden. Aufgrund des vorläufigen Überblicks des Themas muß der Textkorpus folgende Ebenen enthalten:
Bedeutungswörterbücher, Enzyklopädien, Lexika
Zweisprachige (deutsch-russische) Wörterbücher
Fachlexika (außer Philosophie)
Philosophische Fachlexika
Philosophische Texte
Diskussionsbeiträge (Rezensionen, Kritiken, relevanter Briefwechsel)
Übersetzungen der deutschen philosophischen Texte
Beispiele für Übersetzungen einzelner Begriffe (in den Texten der russischen Philosophen)
„Dicke“ Zeitschriften [Zeitschriften gemischten Inhalts (Literatur, Kritik, Philosophie etc.) für gebildete Schichten] und Sammelbände
Nachbardisziplinen (Pädagogik, Jurisprudenz, Soziologie, Psychologie)
Offizielle Dokumente; Belletristik (Beispiele der öffentlichen Verbreitung der Begriffe)
Angesichts der vielschichtigen Struktur der Textkorpora ist es erforderlich, die Methoden gemäß den Textsorten zu differenzieren. Außerdem unterscheiden sich die Texte:
a. nach der Relevanz für die Untersuchung: Es gibt ‚Initialtexte’ – d.i. der Hypothese nach philosophische Werke – und ‚Empfängertexte’ – d.i. diejenigen, die die Bedeutungen mehr oder weniger unreflektiert übernehmen. Die letzteren sollten unter einem stärker ‚generalisierenden’ Gesichtspunkt betrachtet werden, da sie als Belege für die Verbreitung bestimmter Bedeutungen fungieren.
b. nach der Expliziertheit der Bedeutungserläuterung. In den philosophischen Texten ist es naheliegender zu erwarten, daß die Bedeutung explizit erläutert ist (‚thematischer Begriff’ nach E. Fink). In den politischen Dokumenten dagegen ist dies weniger wahrscheinlich. Eine ganz spezifische Art der Bedeutungsexplikation bilden die Lexika (hierfür ist es nötig, eine separate Methodik etwa sprachhistorischer Art zu konzipieren).
Zur Diskussion sei eine Methodik zur Analyse philosophischer Texte vorgeschlagen:
1. Konzeptuell-terminologischer Aspekt.
Welche philosophische Bedeutung wird dem gebrauchten Begriffswort beigegeben, d.h.: in welchen zusammengesetzten Ausdrücken kommt das Begriffswort vor? Welche Unterscheidungen werden durch diesen Begriff eingeführt? Welche Aspekte der Bedeutung sind zentral, welche peripher (metaphorische etc.)?
Erläuterung an ‚repräsentativen’ Beispielen.
2. Systemaspekt
Welche Stellung nimmt der fragliche Begriff in der Konzeption des Autors ein? Ist es ein ‚Grundbegriff’ oder ein abgeleiteter Begriff?
3. Rezeptionsaspekt
Welche philosophischen und sonstigen Quellen werden bei der Konzeptualisierung verwendet (hier sind in erster Linie deutsche Quellen zu berücksichtigen)
4. Wirkungsaspekt
Wie wird die vom Autor konzipierte Bedeutung in der Fachdiskussion aufgenommen, wie und von wem weiterentwickelt.
Auf ähnliche Weise müssen die Methodiken für die Analyse der Lexika und der anderen Korpora entwickelt werden.
Aufgrund der im Workshop erzielten Diskussionsergebnisse sollen ‚Richtlinien’ zur Verfassung der ‚Materialien zu einem Lexikon der Personalität’ formuliert werden.
Letzte Aenderung: 12:07 7.06.2005